Können wir uns auf den Staat verlassen?
Viele Teile der Bevölkerung in Deutschland verlassen sich bei dem Thema Sicherheit und Krisenvorsorge komplett auf die staatlichen Hilfeleistungen. Obwohl für viele die eigene Sicherheit und die der Familie einen sehr hohen Stellenwert hat, sind weder Selbstschutz- noch Selbsthilfepotenziale ausreichend vorhanden.
Der Staat gesteht Engpässe
Staatliche Organisationen gestehen selbst ein, nicht in einem ausreichenden Maße für den Schutz der Bevölkerung sorgen zu können. So begründet das Bundesministerium des Innern seinen Aufruf zu Selbstschutz und Selbsthilfe als wichtige Vorsorgemaßnahmen damit, dass „nicht allen Bürgerinnen und Bürgern gleichzeitig geholfen“ werden kann, „kommt es beispielsweise aufgrund eines schweren Unwetters zu Überschwemmungen, Stromausfällen und anderen schweren Schäden“1.
An anderer Stelle werden Kapazitätsprobleme staatlicher Vorsorge eingestanden, wonach der Staat nicht allein für die Sicherheit garantieren kann, da die Risiken zu komplex sind. Bei Großschadenslagen käme es zu Kapazitätsproblemen der staatlichen Hilfeleistung. Die Ressourcen und Kapazitäten staatlicher Hilfe sind nicht für einen hundertprozentigen Schutz jedes Einzelnen ausgelegt2. Stattdessen beruht das System auch hier darauf, dass sich jeder Einzelne zunächst durch seine Selbsthilfefähigkeiten selbst versorgen kann.
Verstärkt wird dieses Problem da jedes Bundesland selbst für seinen Krisen- und Katastrophenschutz zuständig ist (Subsidiaritätsprinzip). Sollte es in einem Bundesland zu Engpässen kommen ist fraglich, ob die anderen Länder freiwillig Hilfe leisten und damit bei einer Ausweitung der Gefahrenlage eigene Kapazitätsprobleme riskieren. Erfahrungen der Vergangenheit (z.B. das Elbe-Hochwassser 2006) zeigen, dass die Länder dazu neigen ihre eigenen Ressourcen zu horten. Die Ernsthaftigkeit der Ressourcenplanung konnte beispielsweise auch bei der Bewältigung des Zugunglücks von Eschede beobachtet werden, als „gravierende Fehlbevorratung und – verteilung“3 nachgewiesen wurde.
Der Staat entzieht sich der alleinigen Verantwortung
Abgesehen von der Frage des Könnens, sieht sich der Staat auch nicht in der alleinigen Verantwortung – das Wollen. Vielmehr sei das Zusammenwirken von Bürgern, Wirtschaft und Politik dafür zuständig2.
Die Betreiber kritischer Infrastrukturen sieht der Staat in der Pflicht eigenverantwortlich für ein ausreichendes Maß an Sicherheit zu sorgen. Dies ist insbesondere deshalb so relevant, weil sich ca. 75% dieser kritischen Infrastrukturen in Privatbesitzt befinden3.
Noch wichtiger als private Betreiber der Wirtschaft, ist der Bürger selbst. Diese müssen einen Beitrag zum Gesamtschutz leisten und lernen, durch Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeiten ihre Verantwortung in diesem Zusammenspiel gerecht zu werden. Denn der Staat weiß, je ausgeprägter die Selbsthilfekapazitäten der Bevölkerung, desto effektiver funktioniert der ergänzende Bevölkerungsschutz des Staates2.
Aus diesem Grund versucht die Politik die Bürger stärker in die Krisenvorsorge und den Katastrophenschutz einzubinden. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) beschäftigt sich sehr intensiv mit der Kommunikation mit den Bürgern und Bürgerinnen, um diese besser über Risiken und die Notwendigkeit eigener Vorsorge aufzuklären. Außerdem setzt das BBK eine eigene Versorgung der Bevölkerung über mindestens 10 Tage voraus4.
Fazit
Der Staat kann und will nicht für die Sicherheit der Bevölkerung garantieren. Stattdessen baut das staatliche System auf die Selbsthilfe- und Selbstschutzfähigkeiten der Bürger auf. Es gibt kein Rundum-sorglos-Paket des Staates zum Schutz der Bevölkerung. Deshalb fordert das BBK jeden Einzelnen dazu auf, notwendige Vorbereitungen zu treffen4. Wer sich selbst helfen kann ist klar im Vorteil.
Bei einer Sache kann sich jeder Einzelne sicher sein. In einer hochtechnisierten Gesellschaft wie unsere, kann ein Restrisiko nie ausgeschlossen werden egal wie gut und fortschrittlich die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung auch sein mögen. Dieses verbleibende Risiko wird immer und ausnahmslos durch die Bevölkerung getragen. Deshalb ist die Entwicklung von Selbsthilfe- und Selbstschutzfähigkeiten auch bei technologischem Fortschritt eine Notwendigkeit.
1Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2020 (<https://www.bmi.bund.de/DE/themen/bevoelkerungsschutz/zivil-und-katastrophenschutz/selbstschutz-und-selbsthilfe/selbstschutz-und-selbsthilfe-node.html>)
2Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit e.V, 2011
(<https://zoes-bund.de/wp-content/uploads/2015/10/Schriftenreihe-1.pdf>)
3Grünbuch des Zukunftsforums öffentliche Sicherheit, 2008
(<http://zoes-bund.de/wp-content/uploads/2015/10/Gruenbuch_Zukunftsforum.pdf>)
4 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, 2018(<https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Publikationen/Broschueren_Flyer/Buergerinformationen_A4/Ratgeber_Brosch.pdf?__blob=publicationFile >)